Künstlerische Auseinandersetzung zur Erinnerungskunst von Christian Boltanski im Kunstmuseum K21 in Düsseldorf

Während die Kälte draußen jedem wie Nadeln unter die Haut geht, ist natürlich jede Exkursion ein Schritt aus der Komfortzone. Doch auf viel metaphysischere Art verließen die Kunstkurse der Q2 in Begleitung der Kunstlehrerin Meike Jansen und Sandra Dahlmann den  gewohnten Komfort mit dem Besuch des Kunstmuseums K21 im alten Landtagsgebäude von NRW. Fast automatisch gleiten dort die Blicke an der hellen Innenfassade bis hoch zum Glasdach, verweilen einen Moment auf dem stahlblauen Himmel, wandern über die vielen Fenster, zwischen denen von Zeit zu Zeit der Kopf einer der Museumswächter auftaucht und wieder verschwindet, nach unten und wieder zurück zum Himmel. Schon das Gebäude ist ein Kunstwerk für sich.

Die Führung führte die Schülerinnen und Schüler in einen spärlich beleuchteten Raum. An den Wänden hängen 40 schwarz-weiße Fotografien von Menschen unterschiedlichster Art. Jedes Gesicht wird von einer Lampe beleuchtet wie die Täter bei Verhören. Die Kabel der Lampen verbinden sich untereinander wie traurige Girlanden zu einem großen Ganzen. Auf dem Boden sitzend diskutieren die Besucher so über die Porträts, werden Teil der Installation.

Die Fotografien stammen dabei aus einer Zeitschrift, die kriminelle Fälle thematisiert – und so beginnt das Grübeln, welche der Personen Opfer und welche Täter seien. Doch die Menschen schweigen, ihre Gesichtszüge sind nicht zu lesen. Ihre Vergangenheit bleibt ein Geheimnis, auch weil die Kästchen unter den Fotografien, in denen laut Boltanski die Geschichte der Menschen dokumentiert ist, alle verschlossen bleiben.

In gewisser Weise ist die Installation des Künstlers Christian Boltanski also ein Spiel mit unseren Gefühlen. Er spielt mit dem menschlichen Drang, die Wahrheit zu erfahren, Neugier zuzulassen und jedes Detail zu verstehen.

Nur durch die Fragen der Schülerinnen und Schüler klärt sich auch das Geheimnis des einfachen Regals, dass die gesamte hintere Wand einnimmt. Nach der Museumsführung ist es eine Verbindung zum ersten Ausstellungsort der Installation in Madrid. Fein säuberlich aufgereiht erinnern alte Leichentücher an die Zeit, in der der Ausstellungsraum als Lazarett diente. Es unterstützt die beklemmende Atmosphäre und macht den Raum zu einem unmittelbaren Erlebnis, das einen nicht gleich wieder loslässt.

Nach der Führung gehen die Besucher durch die Ausstellung. Setzten sich dem bedrohlichen Gefühl eines Raumes aus, der auf alten Fernsehern Sequenzen verschiedener Überwachungskameras zeigt und durch eingespielte Geräusche das ungemütliche Gefühl unter einer Autobahnbrücke in den Raum transportiert und erfahrbar macht. Anschließend betreten die Schülerinnen und Schüler einen komplett abgedunkelten Raum von James Turrell. In einer kleinen Gruppe laufen wir langsam bis zu einer rosa-schimmernden Leinwand, stehen eine Weile unschlüssig davor bis sich die Wahrnehmung verändert und man plötzlich begreift, dass die überdimensional große Fläche Teil eines diffus ausgeleuchteten Raumes ist, in dem unsere Augen weder Konturen noch Grenzen entdecken können.

Andere Künstler wie Thomas Hirschhorn führen uns in ihrer Installation unmittelbar vor Augen, dass Sicherheit, Politik und Gerechtigkeit Grenzen haben, dass Terrorismus eine allgemeine Gefahr bedeutet, die aber auch durch staatliche Überwachung nicht lösbar sei, weil sie in gewisser Weise der Menschlichkeit widerspricht.

So ist die Thematik oft  alles andere als angenehm: über die Installationen beginnt man sich selbst zu hinterfragen und sich mit den Problemen der Gesellschaft auseinander zu setzten. Es ist ein Schritt aus der Komfortzone heraus. Aber auch ein Schritt, der zu neuen Sichtweisen führt.

(Text: hk, mk/ Fotos: Meike Jansen)