„Was können wir aus den Folgen des Extremhochwassers für die Zukunft lernen?“
Eine unterrichtsbegleitende und von Experten geführte Arbeitsexkursion ins Ahrtal
Dieser Fragestellung gingen die Schülerinnen und Schüler des Differenzierungskurses Geographie-Physik sowie Geographielehrkräfte im Rahmen einer unterrichtsbegleitenden und von Experten geführten Arbeitsexkursion im Ahrtal nach. Die Folgen der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 sind für die betroffene Bevölkerung bis heute nicht nur immer noch sichtbar, sondern werden den Siedlungsraum und die damit verbundene Infrastruktur des Ahrtals für das nächste Jahrzehnt noch dauerhaft prägen. Der Geograph Dr. Thomas Roggenkamp der Universität Bonn, der sich wissenschaftlich bereits vor der Flutkatastrophe mit historischen Hochwasserereignissen an der Ahr intensiv auseinandergesetzt hat,
veranschaulichte der Exkursionsgruppe an ausgewählten Standorten in Altenahr und Bad Neuenahr die physiogeographischen Zusammenhänge der drastischen Auswirkungen der Flutnacht für den Kultur- und Naturraum.
Insbesondere im einst idyllischen Örtchen Altenahr, in dem sich die Ahr in einer engen Schleife um hohe Felsen bis ins Langfigtal windet, sind die Spuren der Naturkatastrophe bis heute noch besonders deutlich zu erkennen. Neben bereits vollständig sanierten Gebäuden, wie dem Hotel Ruland unmittelbar an der Ahr, bezeugen vollkommen baufällige und verwahrloste Gebäudekomplexe bis heute die Folgen der Flutnacht. Der Gang durch den Ort mit seinen Extremen zwischen Neubauten und Flutmahnmalen sowie sanierten Straßen und immer noch zerstörten Brücken hinterließ bei vielen Exkursionsteilnehmenden eine sonderbare Stimmung.
Nach einer Wanderung zum Aussichtspunkt „Schwarzes Kreuz“ mit Blick auf Altenahr wurde nicht nur die ungünstige Topographie des Ortes bei Hochwasserereignissen, sondern auch die unvorteilhafte Bodenbeschaffenheit bei Extremniederschlagsereignissen mithilfe einer durchgeführten Bodenanalyse am Hang offensichtlich. Der Ort wird somit auch in Zukunft bei extremen Wetterereignissen, die zu einem Hochwasser an der Ahr führen können, ein Risikogebiet bleiben. Auch wenn die Enge des Tals der Lerngruppe bereits in einer digitalen Schulung zu Methoden der satellitengestützten Erdbeobachtung durch Frau Claudia Lindner der AG Geomatik der Ruhr-Universität Bochum im Unterricht deutlich wurde, konnten weitere Geo-Faktoren, die im Juli 2021 zum Extremhochwasser an der Ahr führten, erst vor Ort und mit einem Vergleich historischer Karten sichtbar werden. Die Ahr benötigt im Fall von Hochwasser mehr (Natur-)Raum.
Eine ähnliche Erkenntnis gewannen die Exkursionsteilnehmenden im nächsten Untersuchungsgebiet „Piuswiese“, einem Neubaugebiet in Bad Neuenahr. Auch wenn an diesem Standort das Gelände um die Ahr vergleichsweise flach ausfällt, wurden durch die analoge wie digitale Kartierung des Neubaugebietes unmittelbar am Fluss nicht nur die noch vereinzelt sichtbaren Flutschäden an den Häuserfassaden erfasst, sondern auch die Lage des erweiterten Siedlungsraumes inmitten eines naturgemäßen Überschwemmungsgebietes der Ahr fassbar.
Die Menschen, die dort (wieder) leben, müssen auch in Zukunft auf mögliche Überflutungen mit ihren Konsequenzen vorbereitet sein. Und trotzdem – die sanierten und neu gebauten Häuser wirkten an diesem sonnigen Tag unweit der beschaulich plätschernden Ahr wieder sehr idyllisch.
Um der von Herrn Dr. Roggenkamp bezeichneten „Hochwasserdemenz“ frühzeitig vorzubeugen, müssen nicht nur angepasste Hochwasserschutzmaßnahmen mit den Erfahrungen der letzten Flutkatastrophe getroffen werden, sondern auch die zukünftige Vermeidung einer Planung von Neubaugebieten in Überschwemmungsgebieten.
Das nächste Ahrhochwasser wird kommen, denn die Flutkatastrophe 2021 ist Teil einer Reihe von Extremwetterereignissen, die es auch bereits historisch immer wieder gab. Eine direkte Verbindung zum Klimawandel kann dadurch nicht bewiesen werden, jedoch ist ein Zusammenhang hinsichtlich der weltweiten Häufigkeit von derartigen Extremwetterereignissen im Kontext des globalen Klimawandels festzustellen.
Diese Kooperationsveranstaltung wurde physiogeographisch durch den Experten für historische Hochwasser der Ahr, Herrn Dr. Thomas Roggenkamp des Geographischen Instituts der Universität Bonn, exkursionsdidaktisch von Herrn Sebastian Pungel und Herrn Björn Schray des Kompetenzteams Geographie sowie unterrichtsvorbereitend zu Erdbeobachtungsmethoden von Frau Claudia Lindner der AG Geomatik der Ruhr-Universität Bochum so vorbereitet, dass die Exkursion als Fortbildungsveranstaltung für Geographielehrkräfte angeboten wurde.
(Text/Fotos: Dr. Chr. Müller)