Herr Schmidt hospitiert zwei Wochen an der Cheadle Hulme High School in England
Als Lehrer in Deutschland hat man manchmal das Privileg, einen Blick über den Tellerrand werfen zu können. Doch als ich mich entschied, zwei Wochen lang an einer britischen Schule zu hospitieren, schien diese Idee zunächst fast wie ein Abenteuer. „Geht das überhaupt noch nach dem Brexit?“ war eine der ersten Fragen, die ich mir stellte – und die mir auch im Freundeskreis häufiger begegnete. Die Antwort ist ein klares Ja! Denn Bildung hat die Kraft, Brücken zu bauen, auch wenn Politik manchmal Mauern errichtet.
Vom 4. bis 15. November 2024 durfte ich an der Cheadle Hulme High School (CHHS) nahe Manchester hospitieren und erleben, wie Schüler und Lehrer im Vereinigten Königreich gemeinsam Unterricht gestalten und wie viel wir trotz aller Unterschiede voneinander lernen können.
Schon am ersten Tag fiel mir die durchdachte Organisation der Schule auf. Nach meiner Ankunft wurde ich von der englischen Deutschlehrerin Claudia Beswick herzlich in Empfang genommen. Wie an vielen britischen Schulen sind die Sicherheitsvorkehrungen, das sogenannte „safeguarding“, an der CHHS streng: Gäste erhalten einen Gästeausweis und müssen sich beim Betreten und Verlassen des Schulgeländes an der Rezeption an- und abmelden.
Der Schultag begann täglich um 8:30 Uhr mit der sogenannten Form Time, einer halbstündigen Einheit, in der mit den „Form Teachers“, also den Klassenlehrern, organisatorische Themen besprochen und soziale Kompetenzen gefördert wurden. Besonders eindrucksvoll war eine Stunde, in der die Schüler grundlegende Zeichensprache lernten, um einen gehörlosen Mitschüler besser einzubeziehen – ein starkes Beispiel für gelebte Inklusion.
Im Mittelpunkt meines Aufenthalts stand der Deutschunterricht, der an der CHHS stark auf den Lehrer ausgerichtet ist. Die Schüler üben Phrasen und Vokabeln (Chunks) durch Nachsprechen und spielerische Wiederholungen. Besonders spannend war der direkte Austausch mit den Schülern: Viel gab es zu erzählen vom deutschen und englischen Schulsystem. Besonders interessant war für die englischen Schülerinnen und Schüler jedoch, wie sich der Alltag – ganz ohne Uniformen – für ihre Altersgenossen am GSA anfühlt: Gibt es Nachsitzen? Lernen deutsche Schüler Englisch wie englische Schüler Deutsch? Spielen sie Fußball? Und vor allem: Schmeckt das Essen in der Mensa?
Ein Highlight war die Organisation eines Briefaustausches zwischen zwei Deutschklassen der CHHS und zwei Englischklassen des GSA. Dieser begann während meines Aufenthalts und wird über das Schuljahr hinweg fortgeführt – ein kleiner, aber bedeutender Schritt, um Schüler beider Länder einander näherzubringen.
Neben der Arbeit blieb auch Zeit, die Region und ihre Kultur zu erkunden. Besonders beeindruckend war ein Tagesausflug in den Peak District, dessen malerische Hügel und Landschaften sich ideal für Wanderungen eignen. In Manchester besuchte ich das Museum of Science and Industry sowie das People’s History Museum, die faszinierende Einblicke in die industrielle Revolution und die soziale Geschichte der Stadt boten. Aus meiner Zeit als Schüler und Englischlehrer habe ich den Eindruck, dass in der Schule häufig auf London und den Süden Englands im Fokus stehen – zu Unrecht, denn auch der Norden hat viel hinsichtlich Geschichte, Kultur und Natur zu bieten.
Die Hospitation an der Cheadle Hulme High School hat mir gezeigt, wie wichtig internationale Begegnungen auch in einer Zeit sind, in der politische Entscheidungen wie der Brexit solche Verbindungen erschweren. Gerade jetzt ist es inspirierend zu sehen, wie Schulen und Menschen wieder aufeinander zugehen, um gemeinsam zu lernen und Brücken zu bauen.
(Text/Fotos: Schmidt)