Der Leistungskurs Sozialwissenschaften auf zweitägiger Erkundungstour in Brüssel
Sie garantiert seit über 70 Jahren Frieden innerhalb ihrer Grenzen, ist für rund 40% der Gesetze in Deutschland verantwortlich, ermöglicht über 30.000 Studenten in Deutschland jedes Jahr ohne Studiengebühren im Ausland zu studieren und sorgt für so viel Reisefreiheit in Europa wie noch nie zuvor: Die EU hat vielfältigen Einfluss auf unser aller Leben. Doch erscheint sie häufig fern und zu abstrakt. So nahmen zum Beispiel an der letzten Europaparlamentswahl etwa 16% weniger Menschen in Deutschland teil, als zur Bundestagswahl: Nur knapp über 60%. Grund genug also für die Schülerinnen und Schüler des Sozialwissenschaften Leistungskurses von Fachlehrer Hans Klein einmal in Brüssel selbst vorbeizuschauen.
Dabei ist die EU natürlich mehr als „nur Brüssel“. Auch in Straßburg oder Luxemburg – oder auch in Frankfurt am Main – hätte man EU-Institutionen besuchen können. „Brüssel bot uns mit der Kommission und einem Sitz des EU-Parlaments aber das beste Gesamtpaket“, erklärt Hans Klein. Die Fahrt nach Brüssel des Sowi-Leistungskurses findet daher jedes Jahr statt.
In Brüssel mit dem Zug angekommen fand zunächst eine kurze Stadtbesichtigung statt. Dann lud zunächst das europäische Parlament zum Besuch ein. Neben einer Besichtigung des Plenarsaals als pulsierendem Herz der europäischen Demokratie erfuhr man hier auch viel vom Ablauf der Zusammenarbeit. Die Vielsprachigkeit der EU fordert von Dolmetschern Höchstleistungen: Wenn also zum Beispiel ein Abgeordneter aus Malta in seiner Muttersprache eine Rede hält, wird diese zunächst von einem Dolmetscher in eine andere Sprache übersetzt, die mehr Dolmetscher beherrschen – zum Beispiel italienisch – und dann in alle übrigen Teilnehmersprachen. Das Ganze passiert in Echtzeit, der Dolmetscher spricht die Übersetzung, während er gleichzeitig schon dem nächsten Satz zuhören muss. Insgesamt kommt die EU dort auf eine Genauigkeit bei der Übersetzungsquote von 97%. Auch historische Momente, wie zum Beispiel als die Mehrheit der britischen Abgeordneten mit Tränen in den Augen und Hand in Hand mit den übrigen Abgeordneten den Abschied mit einem gemeinsamem Lied beklagten. Oder die Rede von Wolodymyr Selenskyj, welcher bekräftigt, dass die Zukunft der Ukraine in der EU läge – und dem ukrainischen Übersetzer aufgrund der Tragweite seiner Worte die Stimme versagte.
Nun stand ein Besuch in der interaktiven Ausstellung des Parlamentariums an. Hier gab es natürlich für die Sozialwissenschaftler viel zu lernen. „Wir haben interessiert gelesen und gelernt, bis unser Kopf völlig voll war“, scherzte auch Leandra Scharenberg aus dem Kurs. Dann ging es weiter zur Kommission, wo der Vortragende vom Wissensschatz des Kurses beeindruckt war. So konnte man einige tiefergehende Fragen der Schülerinnen und Schüler mit Stephen Stork von der Generaldirektion Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen erörtern. Politische Luft konnte man auch dadurch schon schnuppern, dass auf den Straßen immer wieder Limousinen unterwegs waren, da direkt gegenüber gerade die Staats- und Regierungschefs der EU im europäischen Rat zusammensaßen und diskutierten.
Die EU ist für den Kurs jetzt zumindest nichts Abstraktes in der Ferne mehr.
(Text: Klein, Fotos: Klein)