Bedrückende und wichtige Führung zum Thema Judenverfolgung erweitert den Blick
Wo heute lachende Gesichter ein Gläschen Glühwein trinken und einige noch die letzten Weihnachtsgeschenke zu ergattern hoffen, fanden in der Siegburger Stadtgeschichte Verbrechen statt. Daran erinnern unter anderem auch die Stolpersteine. Doch welche Geschichten genau hinter diesen steckt, ist nicht jedem klar.
Daher machte sich der Deutsch-Grundkurse der Q2 des Gymnasium Siegburg Alleestraße von Monica Abilleira unter der Führung von Dr. Claudia Arndt, der Leiterin des Kreisarchivs, in Siegburgs Vergangenheit auf. Gemeinsam besuchte man Orte, die vor der Zeit des Naionalsozialismus durch jüdisches Leben geprägt waren. Neben dem Marktplatz, an dem damals vor allem Juden ihre Waren verkauften, schaute man sich das Denkmal für die in der Novemberpogromnacht 1938 zerstörte Synagoge an. Diese war nicht nur für Juden aus Siegburg von großer Bedeutung, sondern auch für die Juden aus der Umgebung.
Dr. Arndt erzählte den interessierten Schülerinnen und Schülern, dass in den 30er Jahren rund 500.000-550.000 Juden in Deutschland lebten, was ca. 2-3 % der Gesamtbevölkerung ausmachte. In Siegburg gab es zu Beginn des Nationalsozialismus noch 341 Mitglieder der jüdischen Gemeinde, den Krieg hat kaum einer von ihnen überlebt. Heute gedenkt Siegburg den Verstorbenen mit fast 100 Stolpersteinen. Diese befinden sich vor allem in der Holzgasse.
Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, änderte sich auch in Siegburg Vieles. Der damalige Bürgermeister Fritz Eickhoff war offenkundiger Nationalsozialist. Daraus resultierend änderte sich das Leben der Juden schlagartig. Zuerst wurden ihre Geschäfte gekennzeichnet.
Durch einen „friedlichen“ Boykott am 01.04.1930 wurden die „restlichen“ Bürger durch SA-Männer vom Einkaufen in den jüdischen Geschäften gehindert. „Wer bei Juden kauft ist ein Verräter“ stand zu dieser Zeit wie selbstverständlich in den Zeitungen. Manche Juden schlossen daraufhin freiwillig ihre Geschäfte. Andere wurden gezwungen, ihre Läden zu schließen, was sie aber nicht daran hinderte, sich gegen die Nationalsozialisten zu wehren. Einer von ihnen war Bernhard Wagner, welcher gerichtlich gegen die Ladenschließung vorging. Unter anderem wurde damals ein großes jüdisches Einkaufszentrum geschlossen, wo sich heute der „Zeeman“ befindet.
In den Jahren 1933-1938 immigrierten 60% der jüdischen Familien ins Ausland. Die restlichen Juden wurden in das Arbeitslager in Much deportiert oder mussten in eines der 41 Judenhäuser ziehen.
Eine besonders berühmte und traurige Geschichte Siegburgs ist die der jungen Frau Ilse Fröhlich. Sie wurde im Jahr 1919 geboren. Beide Eltern waren Juden und gaben ihren Glauben an Ilse weiter. Ihre Mutter starb kurz nach ihrer Geburt, ihr Vater diente im Ersten Weltkrieg. Trotz ihrer deutschen Staatsbürgerschafft wurden sie von den Nationalsozialisten nicht als Deutsche anerkannt. Ilse verliebte sich in Rudolf, sein Vater war Jude, seine Mutter nicht. Beide konnten den Gedanken durch den Nationalsozialismus getrennt zu werden, nicht ertragen, weswegen sie sich 1939 in Bad Heringsdorf erschossen. Den rührenden Brief, den Ilse an ihren Vater und seine Haushaltshilfe schickte, ist vielen bekannt. Das Schicksal der Familie Fröhlich wird durch den Tod des Vaters in einem Konzentrationslager besiegelt. Der Wunsch von Ilse, mit Rudolf gemeinsam beerdigt zu werden, wurde ihr nicht erfüllt. Ihr Grab kann man hier in Siegburg auf dem jüdischen Friedhof besuchen.
„Wir haben durch den Besuch der durch den Nationalsozialismus geprägten Orte vieles über die damalige Situation der Juden in Siegburg gelernt und können es jedem weiterempfehlen, sich ebenfalls ein Bild von alledem zu machen.“, berichten Dalia Ubber und Merle Sezer aus dem Kurs.
(Text: Dalia Ubber, Merle Sezer, Hans Klein, Fotos: Abilleira).