Kulturelle Erkundungen, gemeinsames Lernen und unvergessliche Begegnungen
Angekommen in Rezé!
Vom 9.5.2023 bis zum 15.5.23 erlebte unsere Schülergruppe der Frankreich-AG in Begleitung von Frau Gesellchen und Herrn Menge eine insgesamt aufregende und schöne Reise nach Rezé bei Nantes. Unser Ziel: Französisch sprechen und unsere französischen Austauschpartner sowie Land und Leute besser kennenlernen.
Unser Programm bestand aus Unterrichtshospitationen, vielen tollen Ausflügen nach Nantes und Umgebung, etwa zu den von Jules Verne inspirierten machines de l’ île oder nach Saint Nazaire in das Schiffsmuseum « Escal Atlantic » am Meer und nach Guérande. Dort wird in Salzgärten nach einem uralten handwerklichen Verfahren Salz geerntet, das gros sel de guérande und das hochpreisigere und wertvollere Fleur de sel de guérande, das an der Wasseroberfläche kristallisiert und dort die sogenannten « Salzblumen » bildet. Dieses Salz ist in der gehobenen Gastronomie und bei Feinschmeckern besonders beliebt. Auch ist es Bestandteil vieler regionaler Süßigkeiten, wie etwa der caramels au beurre salé. Die Biologielehrerin und Umweltbeauftragte des collège, Nolwenn Hervy, die mit der Deutschlehrerin Viviane Charreyron von französischer Seite das Austauschprogramm vor Ort gestaltete, konnte uns das im traditionellen Ausbildungsberuf des « paludier » in Guérande zu erlernende Verfahren der Salzgewinnung anschaulich machen.
Für die Umwelt: müllfreie Küche
Nicht zuletzt erarbeitete auch Nolwenn Hervy den Umweltschwerpunkt für den Austausch von französischer Seite: Bei einer « Kochstunde ohne Kochen» in ihrem Biologieraum konnten wir so zusammen aus frischen Früchten « müllfreie » Obstsalate, die abends auf der ausgelassenen deutsch- französischen Party verkostet wurden, sowie « Kuchen ohne Backen » mit den typischen aus Nantes stammenden Butterkeksen, den petits beurre, herstellen.
In der Frankreich-AG werden wir als Nachbereitung des Austauschs dieses müllfreie Kochen weiter erproben, indem wir Erklärvideos zu geeigneten müllfreien Gerichten drehen, diese dann in der Schulküche ausprobieren und unserer Partnerklasse nachträglich teilen.
Das Haus für alle: Le Corbusier
Erwähnt werden sollte auch unser Ausflug in Rezé zur „maison radieuse“ von Le Corbusier, der in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts dieses riesige Wohnhaus erbaute mit dem Ansatz, Generationen ungeachtet ihrer Herkunft und sozialen Unterschiede unter einem Dach zu vereinen und die Besitzorientierung unserer westlichen Gesellschaft zu relativieren.
Das von außen eher graue, von innen jedoch sehr bunte riesige Wohnhaus mit Platz für mehrere hundert Familien und einem Kindergarten auf dem Dach sollte ein Pilotprojekt sein für egalitäres und gemeinschaftliches Wohnen. Von diesem Gebäude aus bestaunten wir den Blick über Nantes und ganz Rezé, das an sich bereits sehr viele Unterschiede offenbart bezogen auf Wohnstandards und sozialen Stand.
Dabei im französischen Schulalltag
Neben Landeskunde und dem Umweltschwerpunkt, der auch schon im März bei unserer Begegnung in Siegburg im Fokus stand, konnten unsere Schülerinnen und Schüler einige Unterschiede zwischen dem deutschen und dem französischen Unterrichtsalltag feststellen, denn wir durften in den verschiedensten Fächern hospitieren.
In Frankreich gibt es das eingliedrige Schulsystem. Nach der Grundschule gehen alle Kinder auf das collège, das sie im Alter von 15 Jahren abschließen und anschließend entweder eine Ausbildung machen oder auf dem weiterführenden Lycée das Fachabitur bzw das Abitur erreichen, hierbei gibt es verschiedene Wahlmöglichkeiten.
Chantons avec Olivier
Besonders beeindruckend fanden wir vor Ort die Musikstunde von Olivier Lavole, der, komplett blind, seinen Musikunterricht mit so viel Intuition, musikalischem Können und Menschenliebe gestaltet, dass es einen ergreift und begeistert.
Beim lustigen Chanson „Voilà pourquoi“ von Emily Loizeau sangen die französischen Gastgeber und wir Gäste gemeinsam unterschiedliche Strophen und übten anschließend noch den emotionalen Ausdruck, hier dadurch, dass jeder sich ein Wort ausdachte und reihum in einer bestimmten Emotion, etwa Begeisterung, Angst oder Wut zum Besten gab.
Zusammenhalt ist alles
Da sich die deutsch-französische Austauschgruppe in Siegburg dank der Abende im Kultur Café und der vielen gemeinsamen Aktivitäten schon sehr gut kennengelernt hatte, war die Party in Frankreich am Freitagabend auch nur der Auftakt für ein überwiegend in Gemeinschaft gestaltetes Wochenende. Viele Familien fuhren gemeinsam an den Strand oder organisierten Aktivitäten, die von vielen deutschen und französischen Schülerinnen und Schülern gemeinsam erlebt werden konnten.
Besonders beeindruckt hat uns Lehrer, dass die Gruppe insgesamt so gut zusammenhielt und bei kleineren oder auch größeren Problemen direkt zahlreiche gutmütige Unterstützer da waren, die Tränen trockneten, Ängste abbauen halfen oder Missverständnisse klärten. Chapeau! Toll gemacht!
Bienvenue à bord- tout est bien qui finit bien
Nicht zuletzt aus Umweltgründen entschieden wir uns bei unserer An- und Abreise diesmal für den Zug. Für so eine Reise mit Straßenbahn, thalys, métro, TGV und tram braucht es Eigenverantwortung, Zuverlässigkeit und Vernunft auf Seiten der Schülerinnen und Schüler und eine gute Portion Humor, Entschiedenheit und Vertrauen auf Seiten der Lehrkräfte. Hier schult unser Frankreichaustausch dann auch wieder gerne Kernkompetenzen, die zum Leben dazugehören und bei unseren jungen vierzehn- bis fünfzehnjährigen Schülerinnen und Schülern insgesamt sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Mit Blick auf zukünftig anzustrebende emissionsarme Schulfahrten und die Weiterentwicklung von Selbstständigkeit bei unseren Jugendlichen schließen wir, dass das Bahnfahren mit mehreren Umstiegen weiter geübt werden kann, möglichst auch in den Familien, die in Deutschland immer noch sehr viel mit dem Auto unterwegs sind, was nicht zuletzt morgens am Haufeld-Parkplatz auffällt oder vor der Schule, wenn schnell noch Kinder mit dem Jeep vor der Schule abgesetzt werden. Auch für uns Eltern ist es interessant, hier einen Blick nach Frankreich zu werfen, wo die Frauen fast ausnahmslos in Vollzeitbeschäftigungen arbeiten ungeachtet der Kinderzahl und bei den Jugendlichen nicht zuletzt aufgrund des langen Unterrichts, der in der Regel bis nach 17 h dauert, viel Selbstständigkeit gefordert ist.
In Frankreich ist sicher nicht alles besser, aber eben doch anders, und man kann sich fragen, was von dem Andersartigen man sich vielleicht aneignen möchte oder eben auch nicht.
(Text/Fotos: Birthe Gesellchen)